2018/07/18

Illampu (6.372, D)

Man sagt der Illampu sei der "wahre König" der Königs-Kordilleren. Seine steilen, abweisende Eisflanken überragen alle ihn umgebenden Gipfel, außer dem des Ancohuma. Selbst die Normalroute auf den Illampu ist technisch anspruchsvoll und schwierig.

Von La Paz kommend, fuhren wir zunächst nach dem kleinen Ort Sorata (2.800), am Rande des Illampu-Massivs. Sorata ist stark indigen geprägt und nicht besonders touristisch. Dennoch gibt es eine Reihe einfacher Hostals und Möglichkeiten zum Einkauf. Wir wohnten im Hostal las Piedras, am Ende des Ortes.


Sorata, mit Illampu im Hintergrund

Obwohl der Illampu von Sorata aus, zum Greifen nah erscheint, ist die Annäherung ein wenig aufwändig. Zunächst fuhren wir mit einem Allrad-Taxi zu dem kleinen Gebirgsdorf Lakhathiya auf 4.000 Metern Höhe. Die 90-minütige Fahrt bediente alle Klischees, welche man von Autofahrten in Bolivien schon mal gehört hat: steile, enge Fahrwege mit Gegenverkehr, tiefe Abgründe und abgestürzte Autowracks auf deren Grund.
Unser Guide Henry, hatte für das Trecking zum Basislager Träger und Mulis organisiert, welche in Lakhathiya bereits warteten. Wir selbst konnten mit leichtem Rucksack die erste Etappe, zum Basislager "Aquas Calientes", in Angriff nehmen. (4 Stunden Gehzeit)


Lakhathiya

Es gibt einen sichtbaren Pfad, nach Osten, auf den Huila-Khota-Pass zu. Den höchsten Punkt habe ich dort mit 4.850 Metern gemessen. Zum Camp geht es wieder 250 Meter hinab. Der gesamte Weg ist gut genug, dass er auch von den Mulis begangen werden kann. Danach ist allerdings Schluss für die zähen Tragetiere.

Eine alternative Route nach Aquas Calientes gibt es ab dem Ort Ancohuma. Das Trekking dauert ebenfalls 4 Stunden und hat einen flacheren Verlauf. Die Fahrt von Sorata nach Ancohuma soll etwa 3 Stunden benötigen.
Koordinaten Basislager "Aquas Calilentes": S.15°46.916'' W.68°33.137'' 4.607m.


Trekking auf der ersten Etappe

Am nächsten Tag stiegen wir weiter zum Illampu Highcamp auf. Dem Weg war anfangs nicht ganz einfach zu folgen. Er führt linkerhand steil auf und zunächst durch felsiges Gelände, in das nächste Tal hinein. Dort wird die Gletschermoräne sichtbar und der Weg folgt deren Schuttgrad. Wir errichteten unser Camp nach 3,5 Stunden Gehzeit, relativ niedrig auf 5.100 Metern. Die Plätze befinden sich etwas abseits auf der rechten Seite, zwischen den Felsen.
Koordinaten: S.15°47.848'' W.68°33.040 5.074m.

Sehr häufig legen Expeditionen das Highcamp deutlich höher direkt auf den Gletscher. Oft sogar auf 5.600 Meter, unmittelbar vor die Eiswand, wo die technische Kletterei beginnt. Ein solches Lager kürzt den Gipfeltag merklich ab, bedeutet aber entsprechend ein längeres Trekking mit schweren Gepäck.


Illampu Highcamp (5.100 Meter)

Vom Standort unseres Highcamps ist die weitere Route nur teilweise einsehbar.
Am Gipfeltag starteten wir sehr zeitig, d.h. 2.00 Uhr Nachts. Wir stiegen die Moräne weiter aufwärts, konnten bald den Gletscher betreten und näherten uns der steilen Eiswand an, die wir noch in der Dunkelheit erreichten.



GPS Tracks: 
  • Trecking zum Basislager "Aquas Calientes
  • Aquas Calientes zum Highcamp 
  • Gipfeltag (Warnung: Route führt über Gletscher und ungesichertes Gelände. Aktueller Routen-Verlauf kann deutlich abweichen)

Am unteren Ende der Wand zog sich fast durchgehend eine tiefe Randspalte, welche wir ganz links auf eine Schneebrücke überquerten. An dieser Stelle ist die Wand allerdings sehr steil (65°) und sehr hoch. (450 Meter) Wir traversierten darum etwas nach rechts und ersparten uns dadurch etwa 100 vertikale Meter, aber kaum Steilheit.
Die Empfehlung ist es, in dieser Wand Fix-Seile zu befestigen, insbesondere auch, um im Abstieg schneller zu sein. Als 2er-Seilschaft haben wir darauf verzichtet, setzten allerdings zweimal eine Standplatz-Sicherung ein. Am Morgen war das Eis manchmal so hart, dass ich kaum die Spitze der Eispickel einschlagen konnte. Insgesamt fanden wir in der Wand aber gute Bedingungen vor. Wegen der Steilheit mussten wir natürlich immer konzentriert bleiben.
Kurz nach Sonnenaufgang (6.30 Uhr) hatten wir die Wand durchstiegen und standen auf dem West-Grat, fast auf 6.000 Metern Höhe. Bis dahin lagen wir im Zeitplan.


Illampu West-Grat (Normal-Route) Blick vom Ancohuma aus.

Der breite Grat sah zunächst nach keiner großen Herausforderung aus und man hätte denken können in 2 bis 3 Stunden den Gipfel zu erreichen. Allerdings mussten wir noch einmal einen Abstecher in die Eisflanke machen, weil eine breite Spalte den Normalweg teilte. Diese Traverse, erforderte zweimal Standplatz-Sicherung und etwa 2 Stunden zusätzliche Zeit!
Im oberen Teil des Westgrades gab es immer mal wieder kleine Spalten und kurze Steilstücke, im Großen und Ganzen aber meist guten Schnee.

Auf 6.333 Metern war für uns dann Schluss. Wir wussten natürlich, dass die letzten 40 Meter technische Kletterei beinhalten würden. Trotz der vielen Umwege und einer langen Aufstiegszeit (9:30 Stunden) waren wir dafür bereit. Die Bedingungen jedoch waren sehr schlecht: eine tiefe Randspalten und ein extrem steiler (teilweiße überhängender) Abbruch hätten Eiskletterei mit 5 bis 7 Eisschrauben bedeutet, die wir in dieser Anzahl nicht dabei hatten. Außerdem wohl noch einmal sehr viel Zeit. Der Anblick der finalen Kletterstelle entschädigte ein wenig. Ebenso der perfekte Weitblick, der sich schon von dieser Stelle bot.


letztes Steilstück zum Gipfel (6.333)

Henry und ich blieben eine halbe Stunde am höchsten Punkt. Im Abstieg gab es wieder Komplikationen, hauptsächlich in der steilen Flanke. Inzwischen war dort der Schnee sehr aufgeweicht und rutschig. Dadurch konnten wir nicht mehr der Aufstiegs-Spur folgen und mussten uns eine neue Route suchen. Am Ende traversierten wir weit nach rechts, auf den Pico Schulze zu. Ein anderes Problem war ja die tiefe Randspalte am Boden, die nur auf der linken Seite und rechts am Pico Schulze überwindbar war. Wir waren diesmal stundenlang in der Wand. Immer wieder mussten wir auch aufsteigen. Die letzte halbe Stunde kletterten wir bereits in Dunkelheit.
Am Wandfuß angekommen, wäre es schön gewesen, hätten wir dort unser Highcamp. Leider mussten wir weitere 500 Höhenmeter im Gletscher absteigen. Wir erreichten die Zelte kurz vor 22 Uhr. Was für ein Tag: 20 Stunden Kletterei!


Illampu im Abendlicht (Blick vom Highcamp)

Im Büro der Bergführervereinigung in Sorata erfuhren wir später, dass keine Besteigung des Illampu-Gipfelaufschwungs, innerhalb der zurückliegenden 2 Jahre, bekannt wurde. Im Moment ist nicht absehbar, ob sich die Bedingungen am wohl schwierigsten 6.000er Boliviens, wieder bessern werden.
Der Illampu wird insgesamt selten bestiegen. Während unseres Aufstiegs sahen wir keinerlei Spuren vorangegangener Versuche. Allerdings konnten wir 4 Tage später, vom Ancohuma Gletscher aus, zwei Bergsteiger unseren Spuren folgend absteigen sehen.
Alain Mesili erwähnt in seinem Buch "Nevados" gute Biwak-Plätze auf dem West-Grat, für den Fall einer späten Rückkehr vom Gipfel. Der Abstieg ist lang und nicht einfach.

Gipfeltag: 26.05.2018


Literatur: Alain Mesili "Nevados - Guidebook for the bolivian Andes" (ISBN: 978-99954-862-7-3)




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