2021/08/17

Hochkalter- und Watzmann- Überschreitung

Zwei Klassiger der Berchtesgadener Alpen: ich bin sie Mitte Juli gegangen. Hochkalter: 19. Juli / Watzmann: 21. Juli 2021. Es waren die Tage direkt nach den Überschwemmungen in Ramsau und Schönau. Auch an den Berghängen waren manche Wanderwege weggespült. Allerdings hielten sich die Schäden im Berchtesgadener Land vergleichsweise gering zu Westdeutschland.


Blick zum Hochkalter vom Taubensee

 

Für den Tag der Hochkalter-Überschreitung war ab 10 Uhr starker Regen angekündigt. Also beeilte ich mich, dass ich 4.00 Uhr vom Parkplatz "Zauberwald" fort kam, um vor 6.00 Uhr an der Blaueishütte vorbei zu sein. Dieser Weg ist ein einfacher Wanderweg.
Ab der Hütte geht es, gut markiert, über Blockgestein nach rechts eine markante Schuttrinne hinauf, welche zu einer auffälligen Scharte führt. An deren Ende wird in leichter Kletterei (I-II) zum s.g. "Schönen Fleck" aufgestiegen. Der weitere Weg geht links ab und teils einfach, teils in leichter Block-Kletterei zu einer 15 Meter hohen Felswand (II. Grad). 


Felswand, unterhalb des Rotpalfen

Da der Einstieg und eine Querung in der Wand gut markiert sind, hält dieses Hindernis (bei trockenen Bedingungen) wohl kaum jemand wirklich auf. Ich erlebte das Gestein sehr griffig und die Kletterei als einen Genuss. Der nun folgende Weg ist zunächst leichtes Gelände, wobei der Rotpalfen rechts umgangen und der Kleinkalter überschritten wird. Es gibt immer mal 1er Kletterstellen entlang des Grates, teils ausgesetzt, so dass es nie langweilig wird. 


Weg in Richtung Kleinkalter

Vom Gratweg zwischen Rotpalfen und Kleinkalter öffnen sich auch einige spektakuläre Blicke hinab zum Blaueis-Gletscher, dem nördlichsten Gletscher (bzw. Gletscher-Rest) der Alpen. Anfang Juni bin ich dort noch im Schnee aufgestiegen; inzwischen ist der Normalweg wohl etwas sicherer. Eiskletterer in Seilschaft können den Blaueis-Gletscher (40-55°) aber ganzjährig klettern. Wer weiß wie langen noch. Er verliert jedes Jahr an Fläche.


Blaueisgletscher, Blick vom Kleinkalter

Nach dem Kleinkalter geht es in die Kleinkalter-Scharte hinab und von dort in ausgesetzter Kletterei (zum Schluss II. Grad) hinauf zum Gipfel des Hochkalter.
Das Schöne am Hochkalter ist es, dass nirgendwo Drahtseile oder Tritte verlegt sind. Dafür gibt es festen Fels und für den Notfall hin und wieder mal einen Bohrhaken in der Wand. (was freilich nicht zur Beruhigung beiträgt, wenn man seilfrei unterwegs ist...)
Den Gipfel markiert, neben einem Holzkreuz, auch eine aufgesetzte Eisenplatte.
Ich erreichte den höchsten Punkt, gut im Zeitplan, etwas vor 8.00 Uhr. Es zogen Wolken vorbei, aber nach Regen sah es noch nicht aus. Weit und breit waren keine anderen Bergsteiger im Anmarsch.


Gipfel Hochkalter

Ich habe auf dem Gipfel die einzige Rast des Tages eingelegt. Hätte es Sicht gehabt, hätte ich noch schöne Fotos vom Watzmann machen können, oder ins Tal hinab zum Hintersee. So genoss ich einfach die Stille und den Wind auf der Haut. (Aufstieg im T-Shirt..!) 

 

Gipfelblick zurück zum Kleinkalter

Beim Abstieg ins Ofental habe ich mich tatsächlich kurz verlaufen. In einer dicken Wolke gehüllt, war im falschen Moment zu wenig Sicht, um die ansonsten dicht gesetzten Markierungen zu sehen. Der Versuchung nachgebend, dem eingeschlagenen Weg durch die Ausstiegsrinne immer weiter zu folgen, befand ich mich bald in gefährlichem Geländer und musste wieder aufsteigen. 
Der richtige Weg führt, etwas unterhalb des Gipfels, in einer Links-Querung aus der Rinne heraus, in Richtung Ofental-Scharte. Das ist eine wichtige Information. Im Nachhinein habe ich von einigen Rettungseinsätzen der Ramsauer Bergrettung gehört, die Leute aus dem dortigen Steilgelände ausfliegen mussten. (der letzte Einsatz, vor einer Woche)
Nach der Scharte führt der Weg recht klar, jedoch trotzdem steil und rutschig ins Tal hinab. Durch das lange Ofental geht man zurück zur Vegetationszone, durch den Wald und zum Schluss durch das schöne Klausbachtal zum morgendlichen Ausgangspunkt.

Inklusive Verlaufer war ich 23 Kilometer unterwegs, mit etwa 1.800 Meter Höhenunterschied. Geregnet hatte es erst auf den letzten Metern.
Um es vorweg zu nehmen: aufgrund der Einsamkeit und Naturbelassenheit des Hochkalter-Massives, fand ich diese Überschreitung etwas reizvoller als die  Watzmann-Überschreitung zwei Tage später.

Für den Tag der Watzmann-Überschreitung war perfektes Wetter vorhergesagt. Ich hatte mir die längste Variante (24km), mit Ausgans- und Endpunkt am Parkplatz Wimbachbrücke in Ramsau (623m) vorgenommen.
Als ich um 4.00 Uhr am Parkplatz eintraf, standen dort bereits reichlich Autos rum. Das verwundert aber nicht, denn schließlich liegt das Watzmannhaus (1.930m.) auf dem Weg, eine Möglichkeit zur Übernachtung und für eine kurze Besteigung.
Gleichzeitig mit mir sind noch andere Autos an der Wimbachbrücke angekommen. Mit einem Bergsteiger teilte ich mir das erste Wegstück, bei sehr netter Unterhaltung. Trotzdem trennten wir uns  beim ersten Licht. Mit angemessenem Respekt vor der Aufgabe, wollte Markus den langen Weg in genau seinem individuellem Tempo gehen. Genau wie ich.


Blick im Aufstieg zur Mittelspitze (2.713)

Am Watzmannhaus angekommen, konnte ich einige Gruppen bereits im Aufstieg zum ersten Gipfel, dem Hocheck (2.651) beobachten. Die Etappe Watzmannhaus - Hocheck ist zwar immer noch leichtes Gelände, beinhaltet nun aber erste Kletterstellen. Da man hier noch überholen kann, habe ich das auch getan, um am Grat nicht in einen Stau zu geraten.
Am Hocheck angekommen, traf ich dann noch auf zwei größere Gruppe und sah in der Ferne zwei Solo-Bergsteiger sich bereits im Grat befindend. Am Hocheck gibt es eine Biwakschachtel und eine Bank. Der Platz eignet sich zum Frühstück und zum Anlegen von Klettergurt und Klettersteigset. Letztere Ausrüstung hatte ich mir extra zugelegt, da man mir gesagt hatte, es sei am Watzmann so üblich. Ich war dann auch ganz froh, dass ich es dabei hatte, unbedingt notwendig ist es vielleicht nicht.

Generell ist der Watzmann-Grat kein Klettersteig. Es gibt jedoch an ausgesetzten Stellen oft Versicherungen mit Drahtseilen. Bis zur Mittelspitze etwas mehr, danach weniger. Die Ramsauer Bergwacht hat im Jahr 2019 sogar Seile wieder abgebaut, um die Begehung für Ungeübte zu erschweren und so den Andrang am Watzmann zu verringern; gleichzeitig aber noch Sicherheit an den üblichen Absturzstellen zu erhalten. Trotzdem muss die Bergrettung, während der Saison noch fast täglich ausrücken, um Leute vom Berg zu holen. Immer wieder passieren auch tödliche Unfälle, zum großen Teil allerdings in der Ostwand.


Bergsteiger im Abstieg Mittelspitze

Noch vor der ersten Gruppe bin ich in den Grat eingestiegen und achtete darauf, immer einen konstanten Abstand (ca. 100 Meter) zu meinem Vordermann, sowie zu den zwei folgenden Gruppen zu erhalten. Es sind auf dem Grat kaum noch Höhenmeter zu machen, es mangelt aber nicht an ausgesetzten Kletterstellen im I. und II. Grad. Das Gestein ist griffig und fest. Kaum Steinschlaggefahr, ein Helm ist natürlich trotzdem Pflicht. 
Da ich nun in der ersten Gruppe des Tages kletterte, habe ich nichts vom großen Andrang merken können, den der Watzmann bei schönem Wetter angeblich auslöst. Ich war etwas vor 8.00 Uhr am höchsten Punkt. Vielleicht ist das ein guter Anhaltspunkt zur Tourenplanung. Ich denke, dass es später am Grat voll werden könnte.


Watzmann Südspitze (2.712)

Der Watzmann-Grat ist insgesamt fast 4,5 Kilometer lang. Wahrscheinlich ist diese Länge, während der man die ganze Zeit konzentriert bleiben muss, die größte Herausforderung der Überschreitung. Der Weg wird zwischen Mittel- und Südspitze etwas schwieriger als das Stück davor. Ich habe die Kletterei, obwohl ich kein guter Felskletterer bin, eher als anregend, denn als schwierig erlebt. Bei instabilen Wetter würde ich die Tour dennoch wohl nicht machen und empfehlen.


Blick zurück von der Südspitze (2.712)

 

Mit dem Erreichen der Südspitze ist die Watzmann-Überschreitung noch nicht beendet. Der Abstieg ins Tal des "Wimbachgries" ist zwar kaum noch absturzgefährdet, dennoch steil und recht lang. Sicherheitsabstand, wegen Steinschlaggefahr ist hier wichtig. Bei meiner Tour, war von den vorangegangenen Regenfällen, auch die Abstiegsspur ausgewaschen, was aufgrund bester Sicht aber kein Problem darstellte. Bei schlechtem Wetter sollen sich dort aber schon Wanderer verstiegen haben.


Abstiegsroute zum Wimbachgries


Weiter unten gibt es eine schöne Wasserstelle, an der ich meine Flasche wieder auffüllte. Es folgten noch ein paar rutschige Stellen, dann war das eigentliche Wimbachgries erreicht. Von dort, auf guten Wanderwegen zurück nach Ramsau. Wer Durst hat, kann auf der Wimbachgrieshütte ein Bier trinken.

Für mich, der ich vom Ausdauersport komme, war diese Tour ein perfektes Training in einem sportlichen Sinne. Immerhin 24 Kilometer und über 2.000 Aufstiegsmeter. Ich profitierte von perfektem Wetter und konnte konzentriert durchziehen. Die Sicherungen im Grat machen eine Solo-Besteigung, im extrem ausgesetzten Gelände, natürlich erst möglich. Gleichzeitig unterfordern sie Eigenverantwortung, Selbsteinschätzung und Routensinn.  

 


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